Art and Time | Media

WS 11/12 JEDES DING SPRICHT ZWEIMAL

„Wenn die Macht Subjekte nicht nur beherrscht oder unterdrückt, sondern sie auch allererst formt, worin besteht dann diese Formierung? Offensichtlich bringt die Macht nicht im gewöhnlichen Sinn Personen in die Welt.“ (Judith Butler, Psyche der Macht. Das Subjekt der Unterwerfung.)

„Das kommerzielle Kino ist nicht bloß eine billige Droge. Seine unbewusste Wirkung geht weit; weiter vielleicht als die irgendeines anderen Ausdrucksmittels. Neben ihm fällt die Psychoanalyse nicht ins Gewicht. Der Entsubjektivierungseffekt in der Analyse vermag nicht, was vom Kino partiell erreicht wird, die personologische Indidividuierung des  Aussagens aufzuheben.“ (Felix Guattari, Mikropolitik des Wunsches)

„Ranciere definiert den Modus der Bedeutungen im Sinne von Novalis (“alles spricht”) als doppelten: ‚(…) jedes Ding spricht zweimal – in seiner reinen Gegenwart und in der Unendlichkeit seiner virtuellen Verbindungen”, was die Bedingung dafür ist, dass die Erfahrungen miteinander kommunizieren und eine gemeinsame Welt bilden.’ (Christa Blümlinger, Kino aus zweiter Hand, Zur Ästhetik materieller Aneignung im Film und in der Medienkunst)

Jean-Luc Godard: Hitchcock selbst hat es gesagt, wenn Sie etwas sagen, sagen Sie es zweimal…
(Jean-Luc Godard & Youssef Ishaghpour, Archäologie des Kinos. Gedächtnis des Jahrhunderts)

„Ein neuer Archivar ist in der Stadt berufen worden. Aber wurde er, strenggenommen, wirklich berufen? Handelt er nicht vielmehr in eigenem Auftrag?“ (Gilles Deleuze, Foucault)

Zu Beginn stehen nach wie vor das Verhältnis von Psychoanalyse und Kino: Die Produktion von Psychen, die Psyche der Macht, die Macht des Kinos, die Ohnmacht der Psychoanalyse, die doppelte Artikulation, das unmittelbare und das mittelbare Sprechen, das Sprechen durch die Archive. Am Ende aber stehen die Archive – dies alles noch im Anschluß an die im vergangenen Semester gemeinsam mit dem Institut für Kunst und Kulturwissenschaften, Center for Art /Knowledge (CAK)/PhD in Practice abgehaltene Veranstaltung: Psychoanalyse, Guattari, Kino mit Angela Melitopoulos und Maurizio Lazzarato.

Die Beziehungen zwischen Kino, Psychoanalyse und Archiv werden im Laufe der beiden kommenden Semester hinsichtlich Fragen einer künstlerischen zeitbasierten Praxis untersucht. Im Zusammenhang mit diesen Fragestellungen stehen – neben relevanten Texten und Filmen –  eine Veranstaltungsreihe (History Lessons, Museum Moderner Kunst Wien, Oktober/November 2011, Kurator: Matthias Michalka) und eine Ausstellung  (Animismus: Moderne hinter den Spiegeln, 16. 9. 2011 – 29. 1. 2012, KuratorInnen: Anselm Franke mit Sabine Folie) im Zentrum der Diskussion. Zuletzt wird ein Bogen einerseits zu dem Projekt Living Archive gespannt, das von Stefanie Schulte Strathaus und dem Arsenal Kino Berlin ins Leben gerufen wurde und seit Sommer 2011 bis zum Herbst 2012 realisiert wird; andererseits zu dem Projekt HISTOIRE(S) DU CINÉMA von Jean-Luc Godard.

TEXTE

Subjektivation, Widerstand und Bedeutungsverschiebung. Zwischen Freud und Foucault.
In: Judith Butler, Psyche der Macht

Die Couch des Armen.
In: Félix Guattari, Mikropolitik des Wunsches

Der neue Archivar.
In: Gilles Deleuze, Foucault

Promised Lands. Cinema, Geography, Modernism. Sam Rohdie

Archäologie des Kinos. Gedächtnis des Jahrhunderts. Jean-Luc Godard und Youssef Ishaghpour

Kino aus zweiter Hand. Zur Ästhetik materieller Aneignung im Kino und in der Medienkunst. Christa Blümlinger.

Archive Fever. Uses of the Document in Contemporary Art. Ed. Okwui Enwezor