Thur 02.04.09 | 11:00
Sentiment is for Audiences (Marion Porten 2008, A/D, 29.00 min.)
Filmpräsentation und Gespräch mit Marion Porten zu ihrer neuen Arbeit. Im Mittelpunkt des Films steht ein black man in black face*; – gespielt von einem deutschsprachigen, weißen und ungeschminkten Schauspieler. Grundlage der Arbeit ist das Theaterstück ‚Star of the Morning’ (1961) des afroamerikanischen Bühnenautors Loften Mitchell. Das Stück portraitiert das Leben des berühmten afroamerikanischen Bühnen- und Stummfilm Schauspielers Bert Williams, sein Kampf um Würde und Selbstverwirklichung in den USA am Ende des 19. Jahrhunderts.
*(Begriff des 19.Jhts., ein afroamerikanischer Schauspieler in schwarzer Maske)
HINTERGRUND
“Die ursprünglichen Black Minstrel* Performances dienten nicht nur als Unterhaltung für schwarze Sklaven, sondern machten ihr Leben erträglicher, da in den Stücken die Schlüsselfigur im System ihrer Unterdrückung – die Figur des weißen Sklavenbesitzers – mittels Satire und komischer Ironie lächerlich gemacht wurde. Fahrende weiße Komiker, die auf ihren Reisen die Lieder, Tänze und Pantomime der Plantagensklaven gesehen hatten, übernahmen, vulgarisierten und eigneten sich Elemente dieser Kunstform an, um schließlich Minstrel Shows für ein ausschließlich weißes Publikum zu schaffen. Die Schauspieler schwärzten ihre Gesichter mit verrußter Korkrinde und zogen krause Perücken an. Die symbolische Sprache und satirische Komponente des Vorbildes wurden ignoriert, während afroamerikanische Traditionen verzerrt dargestellt wurden, was bald in der Bildung eines beliebten
Stereotyps resultierte. 1865, nach dem amerikanischen Bürgerkrieg und der Abschaffung der Sklaverei, wurde die erste ausschließlich aus Afroamerikanern bestehende Minstrel Truppe gegründet. (…) Auch diese Gruppe schwärzte sich wie ihre weißen Gegenspieler das Gesicht – das Phänomen von afroamerikanischen Schauspielern, die sich in Blackface maskierten war entstanden. Als in den 1860er Jahren afroamerikanische Black Face Minstrels begannen aufzutreten, waren die zuvor von weißen Schauspielern entwickelten Stereotypen bereits so festgefahren, dass die afroamerikanischen
Performer dazu gezwungen waren, diese einzuhalten, um genügend Erfolg beim Publikum zu erreichen. So trugen sie ebenfalls Kraushaarperücken, malten sich grotesk große Lippen ins Gesicht und schwärzten mit Korkrinde ihre Haut.”
*(aus engl. minstrel, dies über altfr. ministrel, menestrel aus mlat. ministerialis ‚Dienstmann’ ‚Diener’)
Beatrix Taumann, Strange Orphans,1999
Das black face steht im Film als Sinnbild eines Transferprozesses, bei dem diskriminierende Umdeutungen einer Gesellschaft im Kulturfeld auf prägnante Weise sichtbar werden. Mit der Übersetzung in den deutschsprachigen Kultur- und Kunstkontext und einer erneuten Umformung wird der Versuch einer Auseinandersetzung mit Aneignungs- und Diskriminierungstrategien unternommen.
METHODE
Die Hände und das Gesicht des Schauspielers sind ungeschminkt. Er führt Textpassagen des Bühnenstückes in englischer Sprache vor. Seine Aussprache ist gut verständlich aber der deutsche Akzent ist deutlich zu hören. Der Schauspieler spricht dabei alle Rollen. Durch die Montage des Videomaterials mit Schnitt/Gegenschnitt wird so eine dialogische Situation erzeugt. Das Spiel und das Lesen des Schauspielers bleibt immer Modell, Zitat der eigentlichen Aufführung. Verfremdungsstrategien machen so auf die Konstruktion von Theater und gesellschaftlicher Rolle aufmerksam.
ORT
Die verwendeten Bühnenelemente sind Teile des Kunstwerkes ‚Depot-Stücke’ der Künstlerin Michaela Schmidlechner. In ihrer Arbeit bezieht sich Schmidlechner auf den Ort des Semperdepots, das ehemalige Kulissendepot der Wiener K. & K. Hoftheater. Heute beherbergt das Gebäude die Akademie der Bildenden Künste Wien und ist gleichzeitig Drehort dieser Videoproduktion. Durch den funktionalen Einsatz der Skulptur als Bühne, sowie der Verwendung von Textauszügen des Theaterstückes werden auf weiteren Ebenen die Aneignungsmechanismen im Kunstfeld verhandelt.